Auf etwa 200 km führt der Anglesey Coastal Path rund um die Isle of Anglesey, Wales. Der Fernwanderweg führt immer entlang der Küste, über Wurzel- und Felspfade, Weideland, Dünen und Strände. Er lässt sich auch wunderbar als mehrtägige Trailrunning-Tour laufen!
Während der Planung meines mehrwöchigen Trips nach Wales und England stieß ich im Internet zufällig auf den Anglesey Coastal Path. Anglesey? Nie gehört… Es handelt sich um eine Insel vor der Nordwestküste von Wales, die mit zwei Brücken über den Menai-Kanal mit der Insel Großbritannien verbunden ist.
Der Anglesey Coastal Path führt auf rund 200 km mit 4.174 hm einmal um die Insel herum. So kam mir die Idee, zu Beginn meiner Reise die Hälfte des Fernwanderweges als mehrtägige Trailrunning-Tour zu laufen.
Beginnen würde ich am offiziellen Startpunkt in Holyhead. Die größte Stadt Angleseys (ca. 13.000 Einwohner) ist in etwa 2 Stunden mit der Fähre von Dublin zu erreichen. Über die Menai Bridge würde ich zum Schluss meine Reise Richtung Snowdonia Nationalpark fortsetzen.
Mehrere lokale Unternehmen bieten Reiseorganisation und Gepäcktransport an. Um im wahrsten Sinne des Wortes „unbeschwert“ laufen zu können, gönnte ich mir diesen kleinen Luxus.
So besprach ich den Reisezeitraum und die Tagesetappen mit Gillian und Eurwyn von den Anglesey Walking Holidays und musste schließlich „nur“ das Laufen selbst übernehmen.
Etappe #1: Holyhead – Treaddur Bay (~ 21 km, 500 hm)
Nachdem ich die Hafenpromenade von Holyhead hinter mir gelassen hatte, führte mich die erste Etappe durch den Holyhead Breakwater Country Park. Mit dem stürmischen Meer auf der rechten Seite lief ich zunächst über einen Wiesenpfad Richtung Holyhead Mountain. Die Gegend sah schroff und nebelverhangen aus, aber zugleich auch wunderschön mystisch.
Schließlich wurde es felsiger und der Pfad führt über Stein- und Felsstufen immer weiter nach oben. Der Wind wurde immer stärker und ein dichter Nebel zog um mich herum auf. Ich konnte kaum noch ein paar Meter voraus- oder zurückblicken und muss ziemlich gegen den Wind ankämpfen, um voran zu kommen.
Nach einer Weile war ich mir nicht mehr sicher, noch auf dem richtigen Weg zu sein – ich hatte schon länger keine blau-gelbe Markierung des Anglesey Coastal Path mehr gesehen! Es wurde immer windiger, nebliger und steiler und ich vermutete, mich nun doch auf den Gipfelweg verirrt zu haben. Den für schlechtes Wetter empfohlenen Pfad unterhalb des Gipfels hatte ich wohl verpasst. Aber da ich auch hinter mir nichts mehr erkennen konnte, beschloss ich, auf gut Glück weiterzulaufen (bzw. stellenweise über große Felsen hochzukraxeln) und darauf zu hoffen, auf der anderen Seite des Gipfels wieder auf den Anglesey Coastal Path zu stoßen.
Zu meiner Erleichterung entdeckte ich nach einem unheimlichen Abstieg durch den Nebel endlich wieder eine Markierung. Der Pfad wurde außerdem etwas breiter, sodass ich wieder Lauftempo aufnehmen konnte. Nach weiteren 2-3 km tauchte rechter Hand ein nebelverhangener Leuchtturm unten am Meer auf. Als ich am Aussichtpunkt angelangte, klarte es auf und mir bot sich ein fantastischer Blick auf den Leuchtturm und die umliegende Klippenlandschaft.
Nun ging es etwas zivilisationsnäher über Wiesenwege und Weideland weiter. Gelegentlich muss ich mich mit finster dreinblickenden Kühen gutstellen, damit sie mich durchließen.
Die letzten Kilometer führten auf einem schönen Küstenpfad zu meinem Etappenziel Treaddur Bay. Schließlich kam sogar richtig die Sonne heraus und ich konnte den Nachmittag an einem windgeschützten Fleckchen mit einem Buch am Strand verbringen.
Etappe #2: Treaddur Bay – Rhosneigr (~ 25 km, 300 hm)
Am 2. Tag ging es zunächst wieder auf kleinen, mit Heidekraut gesäumten Pfaden an der Küste entlang bis zur Cymyran Bay. Von hier zweigte der Weg nun ausnahmsweise ins Inland ab.
Etwa 6 km führten durch kleine Wäldchen und Weideland. Zwar begegnete ich auch an diesem Tag wieder fast keinem Menschen auf meiner Tour, aber alleine war ich nicht: Immer wieder hatte ich tierische Begegnungen, mal mehr, mal weniger wohlgesonnen (die Schafe haben mir selbstverständlich NICHT den Weg freigemacht, ich musste außenrum schleichen).
Schließlich gelangte ich zur Four Mile Bridge. Die kleine Steinbrücke verbindet Holy Island, auf der auch Holyhead liegt, mit der restlichen Anglesey-Insel.
Von hier an ging es nun bald wieder an die Küste. In dieser Gegend befindet sich ein Militärflughafen und die Stille des Küstenpfades wurde leider immer wieder vom Lärm der Düsenjets durchbrochen. Außerdem durfte ich erleben, wie es sich anfühlt, etwa 10 Meter unter einem Helikopter zu laufen, der ziemlich niedrig über die Küste kreiste. Ich hatte es ja vorher schon windig gefunden, aber direkt unter dem Ding musste man sich tatsächlich mit aller Kraft nach vorne lehnen, um irgendwie voran zu kommen.
Die letzten Kilometer waren nochmal fordernd. Ich hatte zwar den Zielort Rhosneigr bereits im Blick, aber vor mir lagen noch 4 km Sandstrand und Dünen. Mit bereits über 20 km in den Beinen kann das ganz schön zäh sein!
Belohnt wurde ich in Rhosneigr mit einer besonders schönen Unterkunft: Das Driftwood B&B von Rachel und Wendy. Die beiden sind sehr gastrfreundlich (es gab sogar selbstgebackene Cookies zum Empfang) und vom Zimmer hatte ich eine Wahnsinnsaussicht auf die vielen Kitesurfer in der Bucht.
Und das „Vegetarian English Breakfast“ am nächsten Morgen war super lecker und sogar Pre-Lauf-verträglich!
Etappe #3: Rhosneigr – Newborough Forest (~ 21 km, 280 hm)
Bei strahlendem Sonnenschein führten mich die ersten Kilometer des Tages entlang des Strandes von Rhosneigr. Anschließend ging es in mäßigem Auf und Ab auf Küstenpfaden weiter, und schließlich entlang eines Flüsschens zum Ort Aberffraw.
Nach dem Überqueren des Flusses lief ich an eben diesem wieder zurück zum Meer. Ich hatte inzwischen Übung darin, meine Geschwindigkeit dem schonungslosen Gegenwind anzupassen und machte mir überhaupt nichts mehr aus den langsamen Kilometerzeiten. Stattdessen genoss ich das schöne, einsame Wegstück auf dem weichen Sandboden, mit dem Meer auf der rechten und den Dünen auf der linken Seite.
Anschließend verließ ich für die restlichen 6 km der geplanten Tagesetappe die Küste und es ging überwiegend auf Asphalt an Gehöften und Weiden vorbei. Schließlich durchquerte ich den Ort Malltraeth und erreichte den Newborough Forest.
An diesem Tag sollte ich am Ende meiner Etappe von Eurwyn abgeholt und nach Menai Bridge gefahren werden, um dort zu übernachten. Da ich mir die Etappenbeschreibung jedoch nicht ordentlich bis zum Schluss durchgelesen hatte, hatte ich einen anderen Treffpunkt im Kopf als tatsächlich geplant. Ich dachte, ich müsse noch komplett durch den Wald bis zu einem Parkplatz auf der anderen Seite laufen.
Erst als ich mitten im Wald war, meine Uhr inzwischen 25 km anzeigte und meine Beine immer schwerer wurden, kam mir die Idee, über das Ziel hinausgeschossen zu sein. Zum Glück fand ich via komoot-App über kleine Waldwege eine Abkürzung zur Hauptstraße in Newborough und ließ mich dort nach 27 km von Eurwyn einsammeln. Puh, in Anbetracht der Vorbelastung war das eine ordentliche Etappe gewesen und den Rest des Tages war ich ganz schön platt!
Etappe #4: Newborough Forest – Tal-y-Foel (~ 17,5 km, 110 hm)
Den ersten Teil meiner Tagesetappe kannte ich ja nun schon: Newborough Forest. Nicht gerade ein Trailrunning-Eldorado mit seinen breiten Forstwegen und den künstlich angepflanzten Bäumen! Also ausnahmsweise mal Ohrstöpsel rein und Hörbuch an, um die ersten 6 km nicht vor Langeweile einzugehen.
Dann wurde es aber wieder interessant: Der Weg zweigte rechts aus dem Wald ab und führte über Dünen auf die Gezeiteninsel Llanddwyn.
Auf ihr befinden sich ein alter Leuchtturm und mystische Ruinen, über kleine Fußpfade zu erreichen.
Die andere Seite der Insel ist ein beliebter Kitesurfing-Hotspot. Ziemlich gute Unterhaltung für einen Strandlauf! Und zum ersten Mal Rückenwind, ich konnte es kaum glauben.
Nach der Inselumrundung ging es noch ein paar Kilometer auf Sandwegen am Rande des Newborough Forest entlang.
Schließlich gelangte ich über Weideland, kleine Ortschaften, Gehöfte und eine Flussüberquerung zu meinem Zielpunkt, dem Anglesey Riding Centre.
Dort wurde ich – diesmal nach plangemäßen 17,5 km – eingesammelt und zurück nach Menai Bridge gebracht.
Etappe #5: Tal-y-Foel – Menai Bridge (~ 18 km, 180 hm)
Die letzte Etappe auf meiner Mehrtagestour war mir ein wenig zu zivilisationsnah und asphaltlastig. Sie führt zunächst über Steinstrand entlang des Menai-Kanals, mit Blick auf die gegenüberliegende Stadt Caernafon mit ihren historischen Gemäuern.
Danach sind mir hauptsächlich ziemlich viele Kilometer auf Asphalt mit wenig spektakulärer Landschaft (Weiden und kleine Ortschaften) in Erinnerung. Immerhin hatte ich einen guten Blick auf den Snowdonia Nationalpark auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals, den ich nach meiner Mehrtagestour auf Anglesey bereisen würde.
Ein Highlight war der Abstecher zum Grabhügel Bryn Celli Ddu. Er ist exakt auf die Sommersonnenwende ausgerichtet, sodass am 21. Juni die Sonnenstrahlen einen hellen, quarzreichen Stein in der Kammer erleuchten.
Ebenfalls Spaß machten die letzten Kilometer kurz vor Menai Brigde. Hier ging es nochmal richtig schön über wurzelige Trails, mit gelegentlichen Blicken auf den Kanal und die beiden Menai-Brücken, unter denen ich schließlich „ins Ziel“ hindurch lief.
Fazit
Der Anglesey Coastal Path ist ein schöner und gut markierter Küstenwanderweg, der sich sehr gut zum Trailrunning eignet. Besonders meine ersten 3 Etappen waren sehr abwechslungsreich und landschaftlich beeindruckend. Ich kann mir gut vorstellen, noch einmal wiederzukommen, um die 2. Hälfte des Fernwanderweges zu laufen!
Die Organisation via Anglesey Walking Holidays kann ich sowohl für Wanderer, als auch für Trailrunner empfehlen. Gillian und Eurwyn sind sehr sympathisch, haben ein gutes Händchen für schöne B&B’s und sind eine große Hilfe bei der individuellen Reisegestaltung.
Übrigens: Wem eine gemütliche Mehrtagestour auf dem Anglesey Coastal Path zu langweilig ist, der kann ihn selbstverständlich auch als Ultramarathon laufen… Im September ruft der Ring O‘ Fire!