22 km, 516 hm, querfeldein über matschige Wald- und Wiesenwege, bei 5 Grad mit Regen und Wind – ein echter Cross-Lauf-Geheimtipp! Und ein klasse Vorbereitungs-Wettkampf für meinen Rennsteigmarathon. Belohnt wurde ich mit Platz 2 der Frauen und einem leckeren Rhöner Läuferbier.
Im Dezember 2015 erhielt ich eine Mail vom Runners-World-Abo-Club: „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben die Teilnahme am Rhöner Volkslauf inklusive Übernachtung gewonnen!“
Da ich noch nie etwas bei einer Verlosung gewonnen hatte, war die Freude groß – vor allem, weil der Lauf zeitlich und streckenprofil-mäßig perfekt als Testwettkampf in meinen (damals noch sehr vagen) Trainingsplan für den Rennsteigmarathon am 21.05.2016 passte!
Sofort googelte ich den Lauf und stellte fest, dass es sich um ein kleines Vereins-Event im beschaulichen Kaltennordheim handelte. Eigene Website? Online-Übersicht über’s Streckenprofil? Detaillierte Infos über den Ablauf oder vergangene Ergebnisse? Fehlanzeige!
Aber: no risk, no fun, manchmal sind es ja gerade die unbekannten Lauf-Events, die zum persönlichen Highlight werden!
Zunächst meldete ich mich für den 28-km-Lauf an, weil mir wohl ein Halbmarathon nicht genug erschien 😉 Erst auf der Pasta-Party am Vorabend in der lokalen Rhönbrauerei erfuhr ich, dass der 28-km-Lauf gar nicht als Wettkampf angesetzt war. Stattdessen stellte er einen gemeinsamen Trainingslauf im Rahmen der Aktion „Geh aufs Ganze“ dar. Da ich allerdings unbedingt einen richtigen Testwettkampf absolvieren wollte, entschied ich mich spontan für eine Ummeldung zum Halbmarathon – immerhin mit Überlänge (etwas über 22 km) und über 500 Höhenmetern.
Am Vortag konnte ich mich bei einem Spaziergang entlang der 6-km-Strecke, dem ersten Teilstück des Halbmarathons, auf den bevorstehenden Lauf einstimmen: Etliche knöcheltiefe Matsch-Passagen und knackige 160 hm auf den ersten 3 km. Dazu die Info von einem einheimischen Läufer, mit dem ich einen netten Plausch am Wegesrand hielt: Im weiteren Verlauf der Strecke käme noch ein richtig langer, zäher Anstieg, dazu viele kürzere, steile Passagen, ein matschiges und windiges Wiesenstück, und und und… Außerdem sollte es in der Nacht und am nächsten Tag wieder regnen, es sei also mit noch mehr Matsch und fiesem Wetter zu rechnen. Vorfreude pur! 😉
Und die Voraussagen sollten sich bewahrheiten: Bei 5 Grad und Regen ging es am nächsten Morgen los. Die ersten 5 km waren gleich sehr herausfordernd, vor allem aufgrund der Bodenbeschaffenheit, die mich sowohl bergauf als auch bergab zu vorsichtigen, langsamen Tippelschritten zwang, um nicht auszurutschen. Trotzdem schaffte ich es, mich gemeinsam mit rund 10 Anderen, darunter 2 weiteren Frauen, vom Hauptfeld abzusetzen. Die 2 anderen Läuferinnen hatte ich zwar noch im Blick, aber gedanklich schloss ich bereits damit ab, sie einzuholen, und setzte mir das Ziel, den 3. Platz zu verteidigen.
Von km 6 bis 9 folgte der lange Anstieg, von dem mir erzählt worden war. Ich empfand ihn aber als vergleichsweise angenehm, da er eine recht konstante Steigung zwischen 3% und 5% aufwies und auf einer Asphaltstraße verlief, sodass ich ihn mit einer relativ konstanten Pace angehen konnte. Außerdem motivierte mich das Wissen, dass oben der höchste Punkt der Strecke erreicht war und es danach tendenziell bergab ging (die vielen kürzeren, aber dafür steileren Anstiegen, die noch auf uns lauern würden, verdrängte ich).
Oben angekommen wurde es wieder technisch anspruchsvoller. Mehrere Passagen führten querfeldein über Wiesen – ohne Weg. Jeder Schritt sackte im weichen Wiesenboden ein und die Vortriebsenergie des Schrittes verpuffte. Auch als es zwischenzeitlich über eine Wiese bergab ging, konnte ich aufgrund akuter Ausrutsch-Gefahr nicht wirklich Gas geben.
Die Gelegenheit dafür erhielt ich dann aber auf dem 15. km auf einer Asphaltstrecke mit 8% Steigung – bergab! In einer lockeren 3:45er Pace flog ich den Berg runter und war gedanklich schon fast im Ziel. Der darauffolgende km holte mich allerdings wieder auf den (Wald-)Boden der Tatsachen: 80 hm auf der ersten Hälfte, danach hügeliges Auf und Ab. So ging es dann auch munter auf den nächsten 6 km weiter.
Einen Motivationsschub bekam ich, als die Läuferin auf Position 2 bei den nachfolgenden Hügeln langsamer wurde und ich sie schließlich auf km 17 überholte. Mein Körper (und Geist!) wurde zwar auch immer müder, aber ich nahm mir fest vor, auf den letzten 5 km nochmal alles rauszuholen – und mir Platz 2 nicht mehr nehmen zu lassen.
Auf km 21 führte ein flacher, asphaltierter Radweg Richtung Ziel und ich legte motiviert eine 4:10er-Endspurt-Pace auf. Waren es vielleicht doch nur 21 km? Dann wäre ich ja gleich da…? … zu früh gefreut!
Kurz vor dem Ziel wurden die Läufer nochmal einen schönen Anstieg hochgeleitet. Ich schaute nicht mehr auf die Uhr und versuchte, mich mit dem Gedanken an den Zieleinlauf in wenigen Minuten abzulenken. Als es endlich bergab ging und ich den Jubel und die Musik aus dem Zielbereich hörte, platzte ich fast vor Vorfreude aufs Ziel und lief beschwingt ein.
(Okay, auf dem Zielfoto erkennt man das „beschwingte“ Gefühl nicht wirklich, aber es war da! 😉 )
Was für ein Lauf! Es war mein erster, nicht-flacher Halbmarathon, dazu die Wetter- und Bodengegebenheiten – und trotzdem war ich nur wenige Minuten langsamer als letztes Jahr auf flachem Asphaltparcours. Zum ersten Mal war ich nach so einem Wettkampf nicht nur stolz auf meine Beine, sondern vor allem auch auf meinen Kopf! An vielen Stellen hatte ich mich wirklich überwinden müssen, dranzubleiben, nicht nachzulassen. An anderen (vor allem bei den steileren Passagen) hatte ich es aber auch zugelassen, die Pace meinem Gefühl zu überlassen und mich nicht mit Blicken auf die Uhr zu stressen.
Das war mein wichtigstes Learning aus diesem Testwettkampf für den Rennsteigmarathon:
Der zwischenzeitliche Check der Pace oder der Kilometer-Zeiten ist bei so einem Crosslauf mit Höhenmetern nebensächlich, wahrscheinlich sogar eher hinderlich. Viel wichtiger ist es, auf das eigene Körpergefühl zu hören und die Gesamtdistanz im Auge zu behalten: Wenn noch 30 km mit 10 Anstiegen vor einem liegen, sollte man bergauf vielleicht auch mal locker machen – und bergab den Schwung genießen und die Beine einfach laufen lassen.
Der Rhöner Volkslauf war eines meiner eindrucksvollsten Wettkampf-Erlebnisse. Ich würde ihn jedem empfehlen, der einmal auf dieser Distanz seine Fähigkeiten austesten möchte. Der Lauf ist top organisiert (großes Lob an die ehrenamtlichen Helfer), umfasst eine schöne Strecke (darauf sollte man zwischendurch trotz aller Anstrengung achten – lohnt sich 😉 ) und findet in angenehmer, familiärer Atmosphäre statt (was mir persönlich viel besser gefällt als Massen-Laufevents).
Und ganz lieben Dank an meine Mutter, die mich bei diesem Lauf-Wochenende begleitet hat und trotz Regen und Kälte die laufende Berichterstattung im Zielbereich verfolgt und mich schließlich jubelnd empfangen hat! ♡