Pietro Liguori (36) aus München arbeitet bei der Allianz als Referatsleiter im Bereich Big Data Analytics. Für die Auswertung seiner Laufdaten muss man vermutlich ebenfalls Big-Data-Spezialist sein, denn in den vergangenen 20 Jahren sind nicht nur beeindruckende Bestzeiten, sondern auch tausende Trainingskilometer zusammengekommen.
Viele Jahre war Pietro vor allem bei Straßenläufen anzutreffen. Bis er während einer legendären Mehrtagestour auf dem Pitztal Trail Gefallen am Berg- und Trailrunning fand. So stand das Jahr 2017 unter dem Stern des Trans Alpine Run. Dass das Training auf einen mehrtägigen Ultralauf durch die Alpen die Work-Run-Balance nicht unbedingt vereinfacht, liegt auf der Hand.
Erfahrt im dritten Interview der Reihe „Work-Run-Balance“, welche Herausforderungen das ambitionierte Lauftraining neben Job und Familie für Pietro mit sich bringen – und wie er sie meistert.
Wie und wann bekommst du dein Training neben dem Job unter?
Die ruhigste – wenn auch schwerste – Zeit zum Trainieren ist für mich der frühe Morgen. Da gehe ich oft vor der Arbeit eine Runde laufen oder ins Fitnessstudio.
Manchmal fängt für mich der Tag auch schon um 4:30 Uhr mit einer Fahrt zu einem der Münchner Hausberge an. So kann ich selbst an einem normalen Arbeitstag um die tausend Höhenmeter sammeln. Aber das mache ich nur in der Wettkampfsaison und maximal einmal pro Woche.
Tempoeinheiten mache ich vor allem in der Mittagspause oder nach der Arbeit. Ich versuche aber immer, vor 20 Uhr zu Hause zu sein, um Zeit für die Familie zu haben.
Was sagen deine Kollegen und dein Chef zu deinen sportlichen Aktivitäten?
Die Allianz erkennt Sport grundsätzlich als wichtigen Teil der Work-Life-Balance an. Das Unternehmen fördert regelmäßige Trainings wie Laufen oder Yoga und veranstaltet jedes Jahr große Sportveranstaltungen wie den Allianz World Run oder den Allianz Triathlon.
In der kleineren Sphäre meiner Abteilung gibt es unterschiedliche Sichtweisen: Einige bewundern es, wie ich Sport, Beruf und Familie unter einen Hut bringe. Andere hingegen machen sich über meine Leidenschaft lustig und wieder anderen ist es vollkommen egal. Ich kann alle Sichtweisen nachvollziehen – aber am Ende tue ich es für mich selbst und muss niemanden überzeugen.
Inwiefern beeinflussen stressige Phasen an der Arbeit dein Training?
Grundsätzlich hilft mir das Training, Stress zu reduzieren. Oft kann ich nach dem Training eine Situation oder Aufgabe, die an der Arbeit unlösbar aussah, einfacher bewältigen.
Aber wenn die Arbeit keine oder weniger Zeit lässt, reduziere ich Trainingseinheiten spontan oder lasse sie sogar ausfallen. Es gibt ja keine einzige entscheidende Einheit – Erfolge kommen durch Konstanz und den allgemeinen Trainingsplan.
Folgst du bestimmten Ernährungsgewohnheiten? Ist es schwierig, sie an der Arbeit umzusetzen?
Ein kohlenhydratreiches Frühstück zuhause ist für mich die wichtigste Mahlzeit des Tages. Mittags an der Arbeit habe ich viel Glück: Wir haben eine sehr gute und günstige Kantine mit einer riesigen Auswahl, da ist auch für Sportler was dabei. Abends esse ich in der Regel worauf ich Lust habe. Und ja, auf ein Bier verzichte ich nie! 😉
Was findest du besonders herausfordernd daran, deine Work-Run-Balance zu meistern?
Es steht immer zu wenig Zeit zur Verfügung. In der Wettkampfsaison mache ich manchmal unter der Woche fast nichts anderes als arbeiten, trainieren, essen und schlafen.
Was mir sehr hilft sind unsere flexiblen Arbeitszeiten. So kann ich auch mal morgens in den Bergen laufen und etwas später mit der Arbeit beginnen. Und Variation in die Routine bringen: Mal trainiere ich morgens, mal mittags, mal abends. Das ist sehr gut für den Kopf.
Welchen persönlichen Tipp hast du für andere berufstätige Läufer?
Wer auf einem bestimmten Niveau laufen will, muss sein Training sinnvoll und realistisch planen. Es macht keinen Sinn, sieben Trainingseinheiten pro Woche anzusetzen, wenn sie nicht eingehalten werden können. Denn dann kann es passieren, dass die wirklich wichtigen Einheiten zu kurz kommen. Wer hingegen von vorneherein nur vier Einheiten plant und sie nach ihrer Wichtigkeit priorisiert, wird eher sein Ziel erreichen.
Wenn man versteht, was wann unbedingt gemacht werden muss und was getauscht oder verschoben werden kann, wird die Koexistenz von Sport, Arbeit und dem sonstigen Leben viel einfacher.
Hast du schon ein besonderes sportliches Ziel für 2018?
Im vergangenen Jahr habe ich mein ganzes Training auf den Trans Alpine Run ausgerichtet. Da ging es mehr um Quantität als Qualität: Kein Bahntraining, sondern viele Kilometer in den Bergen und auf Trails. 2018 möchte ich mich zunächst auf die Straße und Bahn fokussieren, und erst danach einige mittel-lange Trail- und Bergläufe angehen.
Die Ausnahme ist mein erster Wettkampf in 2018, den ich mehr zum Spaß und ohne strukturiertes Training mache: Anfang Januar werde ich in Trieste, meiner Heimat, die „Corsa della Bora“ laufen, einen schönen 57 km langen Trail, der durch anspruchsvolles Gelände an der Küste zwischen Slowenien und Italien entlang führt.
Mehr Einblicke in Pietros Trainingsalltag bekommt ihr auf seinem Instagram-Account!
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