Vom 30.09. bis 03.10.2018 fand erstmals ein offener Trainingslehrgang der Deutschen Ultramarathon Vereinigung (DUV) in der Akademie des Sports in Hannover statt. In Theorie und Praxis drehte sich alles rund um Training, Ernährung, Verletzungen und vieles mehr. In diesem Artikel möchte ich einige interessante Insights, Denkanstöße und weiterführende Links mit euch teilen.
Ultralaufen in Theorie und Praxis: Das Programm
Beim Trainingslehrgang des DUV war ein volles Programm angesagt. Natürlich standen Kraft-, Stabi- und Faszientraining sowie der ein oder andere Lauf auf dem Programm. Doch der größte Mehrwert lag wohl für alle Teilnehmer in den zahlreichen Vorträgen, Diskussionen und dem persönlichen Austausch mit anderen Läufern.
Natürlich wäre es zu ausufernd, in diesem Blogartikel die Vorträge und Learnings umfassend wiederzugeben. Doch möchte ich einige Themen aufgreifen, die ich besonders interessant fand und über die ihr euch auch von zu Hause aus weiterbilden könnt.
Ultralauf vs. kürzere Distanzen: Unterschiede in der Trainingsperiodisierung
Jeder ambitionierte Läufer sollte sein Training nicht nur von Wettkampf zu Wettkampf planen, sondern es in eine für Körper und Geist sinnvolle und gesunde Jahresplanung einbetten. Diese sieht aus klassischer Leichtathletik-Sicht vereinfacht gesagt vor, dass in der wettkampffernen Zeit an der Grundlagenausdauer gearbeitet wird und in der spezifischen Wettkampfvorbereitung an der Schnelligkeit. Je näher der Wettkampf rückt, desto höher die Intensität und geringer der Umfang.
Für Ultraläufer hingegen macht eine gegenteilige Jahresplanung Sinn. In der allgemeinen Vorbereitungsphase (häufig im Herbst/Winter) sollte das Tempotraining im Vordergrund stehen. Hier darf (und soll) Gas gegeben werden, um den Bewegungsapparat und das Herz-Kreislauf-System daran zu erinnern, dass es noch etwas anderes gibt als Wohlfühlläufe im Schlappschritt. Dies fördert zum einen die Verbesserung der Grundschnelligkeit und zum anderen eine Ökonomisierung des Laufstils.
In der wettkampfspezifischen Vorbereitung auf einen Ultralauf wird die Intensität und der Umfang des Tempotrainings schließlich heruntergefahren und langsames bis lockeres Kilometerschrubben hat Priorität.
Erst kürzlich wurde diesem Thema ein empfehlenswerter Artikel auf dem Blog von Ultraläufer und Coach Michael Arend gewidmet: „Wintertraining – mit Intervallen zum schnelleren Ultraläufer“. In einem verwandten Artikel verweist Arend zudem auf eine Studie von Stephen Seiler, in der die beiden Trainingsansätze „Endurance-to-Speed“ und „Speed-to-Endurance“ empirisch beleuchtet werden. Die Empfehlung von Seiler: Je näher der Wettkampf rückt, desto wettkampfspezifischer sollte das Training gestaltet werden. Für Ultraläufer bedeutet das ein höheres Laufvolumen bei geringeren Intensitäten.
Die Marathondistanz liegt irgendwo dazwischen: Man kann für sie sowohl nach dem Endurance-to-Speed als auch nach dem Speed-to-Endurance-Ansatz trainieren. Der Erfolg wird individuell unterschiedlich ausfallen, da Läufer unterschiedlich auf verschiedene Trainingsansätze ansprechen. Falls die Marathonis unter euch das ein oder das andere noch nicht ausprobiert haben, wäre es vielleicht eine Idee für die nächste Saison?
Ultralauf vs. kürzere Distanzen: Unterschiede im Tempotraining
Ein weiterer Unterschied zwischen dem Training für einen Ultralauf und kürzere Distanzen liegt im Tempotraining in der spezifischen Wettkampfvorbereitung. Denn das fällt trotz Speed-to-Endurance-Prinzip auch für Ultraläufer nicht komplett weg! Doch unterscheidet es sich vor allem in der Intensität vom Tempotraining für z.B. einen 5- oder 10-km-Lauf.
Während sich das Intervalltraining für kürzere Distanzen meist im anaeroben Bereich abspielt (z.B. 10 x 400 m im 3000-m-Wettkampftempo oder 5 x 1000 m im 5-km-Wettkampftempo), so trainieren Ultraläufer in der spezifischen Vorbereitung maximal in ihrem individuellen Halbmarathonrenntempo (~Schwellentempo).
Sinnvoller als Intervalle sind Tempodauer- oder Tempowechselläufe. Denn für Ultraläufer ist das primäre Ziel dieser Tempoeinheiten, ihr Schwellentempo zu verbessern, um daraus resultierend ihr Komforttempo in langen Wettkämpfen ebenfalls anzuheben. Dinge wie Schnellkraft oder Laktattoleranz sind für den gemeinen Ultraläufer weniger relevant. Zudem bergen hoch intensive Einheiten ein höheres Verletzungsrisiko und erfordern eine längere Regenerationszeit – beides können sich Ultraläufer in Anbetracht ihrer wöchentlichen Laufumfänge nicht leisten.
Eine Reduzierung der Intensität des Tempotrainings ist übrigens auch schon für Marathonis empfehlenswert. Herbert Steffny schreibt dazu in einem Artikel über „Intervalltraining und Pausengestaltung“: „Die 1.000m Abschnitte des Intervalltrainings sind in der Marathonvorbereitung sanfter als im speziellen 10.000 oder sogar 5.000 Meter Training (…). Im Marathontraining ist die Laktattoleranz kein wesentliches Trainingsziel! (…) Dagegen verstoßen natürlich viele Läufer, wollen was „für die Schnelligkeit“ machen und wundern sich, warum der Marathon trotz „harten“ Trainings daneben ging. Ich würde sagen, wegen des harten (zu intensiven) Trainings! Die Muskeln bekamen den falschen Trainingsreiz…“
Ernährung: Salz, Wasser, Eisen und Spurenelemente
Interessante Einblicke in die molekulare Welt von Flüssigkeiten und Mineralstoffen lieferte uns Ernst Riemann, seines Zeichens Internist und Ultraläufer. In zwei spannenden Vorträgen über Salz & Wasser sowie Eisen & Spurenelemente erklärte er das Zusammenspiel dieser Stoffe im Körper, ihre Relevanz für Ultraläufer, sowie Möglichkeiten der Supplementierung.
Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf Natrium, Calcium, Kalium, Eisen, Zink und Magnesium.
Als weiteres, oft unterschätztes Spurenelement stellte er Mangan vor. Denn auch wenn es nur in geringen Mengen im Körper vorliegt, ist es doch lebensnotwendig. Zudem beeinflusst es die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden von Sportlern, da es zum Aufbau von Knochen, Knorpeln und Bindegewebe beiträgt und essentielle Funktionen im Enzymsystem übernimmt.
Seine Vorträge hier im Detail wiedergeben zu wollen, wäre Harakiri. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen, dass Sportler im Allgemeinen und Ultraläufer im Speziellen aufgrund der körperlichen Anstrengungen einen erhöhten Bedarf an Mineralstoffen haben. Allgemeine Referenzwerte von Gesundheitsinstitutionen sollten somit nicht unhinterfragt als Maßstab genommen werden. Wichtiger ist ein gutes Grundwissen über die Stoffe, ihre Funktionen und mögliche Mangelerscheinungen, um durch die normale Ernährung oder gezielte Supplementierung die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.
Eine gute Übersicht über wichtige Vitamine und Mineralstoffe für Sportler sowie Details zu den einzelnen Stoffen liefert das Deutsche Ernährungsberatungs- und Informationsnetz (DEBInet) auf der Seite „Sporternährung“.
Ultralauf-Berichte
Abgerundet wurden die Lehrgangstage jeden Abend mit Foto-Vorträgen zu verschiedenen Ultraläufen: Vom Klassiker, dem Rennsteig-Supermarathon, über den schweizerischen Rütli-Ultra, bis hin zum Extrem-Abenteuer Eufòria in Andorra.
Sehr persönlich und mit beeindruckenden Fotos berichteten die Referenten über ihre Erfahrungen. Damit auch ihr ein wenig in die Welt dieser Ultraläufe eintauchen könnt, habe ich im Internet gestöbert und empfehlenswerte Berichte herausgesucht.
Den Rennsteig-Supermarathon ist wohl fast jeder deutsche Ultraläufer schon einmal gelaufen. Dementsprechend gibt es im Netz eine ganze Bandbreite an Laufberichten.
Z.B. aus der ambitionierten Ecke, in der es um Paces und Platzierungen geht (Sonja von Opel: „Rennsteig-Supermarathon 2017 – Der nächste Schritt zur Ultraläuferin“).
Oder von der gemütlichen Fraktion, bei der Würstl-Pausen und Fotostops auf keinen Fall fehlen durften (Trailrunners Dog: „Laufbericht zum 44. GutsMuths Rennsteiglauf Supermarathon“).
Im Mai 2019 wird voraussichtlich ein weiterer Bericht über den Rennsteig-Supermarathon veröffentlicht. Von einer mit Hummeln im Hintern, wird gemunkelt…
Die Auswahl an Berichten über den Rütli-Ultra ist da schon begrenzter. Doch kann man sich nach der Lektüre von Andy Ehlers Bericht „Kleines Starterfeld, große Herausforderung“ oder Helmut Sirtls Blogartikel „Abenteuer Rütli Challenge 2017“ ein gutes Bild von diesem herausforderndem 175-km-Lauf in der Zentralschweiz machen.
Da Bilder mehr als Worte sagen (und ich tatsächlich keinen deutschen Bericht über die Eufòria-Distanz des Andorra Ultra Trails finden konnte), schaut euch dazu doch einfach dieses kurze Video an. Wem bereits bei diesen Zahlen schwindelig werden sollte, der sollte eine Teilnahme nochmal überdenken!
Fazit
Der DUV-Trainingslehrgang 2018 war eine lohnenswerte, interessante Veranstaltung – selbst (oder gerade?) für mich, die ihre Ultrapremiere noch vor sich hat. Neben den Vorträgen und praktischen Einheiten war vor allem der Austausch mit den anderen Teilnehmern und Referenten bereichernd und inspirierend. Ich freue mich jetzt schon darauf, das ein oder andere bekannte Gesicht bei zukünftigen Lauf-Events wiederzusehen – und bin nächstes Jahr gerne wieder bei einem DUV-Lehrgang dabei!