Thea Heim (27) gehört zu Deutschlands Topläuferinnen auf der Mittel- und Langstrecke – und arbeitet erfolgreich als IT-Projektleiterin in der Versicherungsbranche. Im Interview erzählt sie, wie sich diese beiden „Vollzeitjobs“ miteinander vereinbaren lassen, und gibt Einblicke in ihr Training und ihre Ziele.
Fußball, Judo, Skilanglauf: Leistungssport spielte für Thea Heim in ihrer Kindheit und Jugend schon immer eine wichtige Rolle. Ihre Laufkarriere begann sie mit 16 Jahren auf der Bahn und holte schon bald ihre ersten Titel auf der Mittelstrecke. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich Thea zunehmend auf die Langstrecke und bewies, dass sie auch auf 10.000 m und Halbmarathon zu Deutschlands Topläuferinnen gehört. 2019 legte sie schließlich in Hamburg ein starkes Marathondebüt in 2:36:10 Stunde hin – und entdeckte, dass Marathon genau ihr Ding ist.
Thea, erst einmal Glückwunsch zur neuen persönlichen Bestzeit von 1:13:23 h beim Barcelona Halbmarathon 2020! Deine Lauferfolge hören sich nach einer Bilderbuch-Profisportkarriere an. Doch du hast dich bewusst für einen anderen Weg entschieden… erzähl doch mal.
Das Laufen nimmt einen großen Raum in meinem Leben ein, es ist meine Leidenschaft. Aber ich habe und möchte es nie ausschließlich betrieben. Das wäre mir zu wenig Inhalt in meinem Leben.
Deshalb habe ich einen Bachelor und Master in Wirtschaftsinformatik an der TU München abgeschlossen und arbeite jetzt Vollzeit als Projektleiterin im IT-Bereich einer großen deutschen Versicherung.
Wie kommst du mit der Doppelbelastung klar?
Es ist schon eine Herausforderung, einen 40-Stunden-Bürojob und ein ambitioniertes Hochleistungstraining unter einen Hut zu bekommen.
Insgesamt klappt es aber ganz gut, weil mein Coach das Training individuell und flexibel an meinen Alltag anpasst. Wir stehen täglich in Kontakt und sehen uns mehrmals in der Woche. Dann besprechen wir, wann ich welche Inhalte trainiere, und passen das Training an meine Verfassung und sonstige Rahmenbedingungen an.
Wann und wie oft trainierst du in der Woche?
Je nach Trainingsphase habe ich 8 bis 11 Laufeinheiten pro Woche. Die absolviere ich morgens vor und abends nach der Arbeit und natürlich am Wochenende. Meist mache ich 4-6 Trainingseinheiten alleine und den Rest mit Trainingspartnern.
Klassisches Alternativ- und Krafttraining mache ich nicht. Mein Coach und ich setzen auf Stabilitäts- und Mobilisationstraining. Das hat die letzten 10 Jahre ganz gut geklappt.
Was ist deine Lieblingslaufeinheit?
Die gibt es so nicht. Ich laufe gerne bei schönem Wetter in einer schönen Umgebung. Aber grundsätzlich mag ich Tempowechselläufe sehr gerne.
Was machst du, wenn beruflicher Stress doch einmal überhand nimmt?
Ein lockerer Dauerlauf hilft mir oft dabei, abzuschalten. Und bei einem Tempotraining kann ich mich manchmal ganz gut abreagieren. Aber hin und wieder ist es einfach zu viel – dann schwäche ich eine Trainingseinheit ab oder nehme mir eine Pause.
Was sind deine Tipps für die aktive und passive Regeneration?
Aktive Regeneration ist bei mir ein regenerativer Dauerlauf. Ansonsten arbeiten wir sehr intensiv mit dem Kühlsystem „emcools“ sowie Dehnen, Massage und ab und an Sauna.
Dein ambitioniertes Trainingspensum bringt ja sicher einen gewissen Verzicht auf Freiheiten im normalen Alltag mit sich. Wie siehst du das?
Ich habe das Laufen nie als „Verzicht“ auf irgendetwas empfunden. Ich treibe in meiner Freizeit gerne verschiedene Sportarten wie SUP, Fußball, Bergwandern oder Skilanglauf, und relaxe auch gerne mal mit Freunden in einem Café. Außerdem reise ich gerne und erkunde neue Umgebungen. Diese Leidenschaft lässt sich super mit dem Training und schönen Rennen im In- und Ausland kombinieren.
Wenn du zusätzliche freie Zeit „geschenkt“ bekommen würdest, wofür würdest du sie verwenden?
Schlafen!
Würdest du dich als „Wettkampftyp“ bezeichnen?
Ich bin definitiv ein Wettkampftyp! Im Wettkampf bin ich sehr fokussiert und kann mich richtig pushen – Rennen finde ich einfach geil.
2019 habe ich an 21 Wettkämpfen teilgenommen, darunter 2 Marathons und 9 Halbmarathons. Viele davon waren natürlich Trainingswettkämpfe – ich laufe einfach lieber ein Rennen als ein „normales“ Tempotraining zu absolvieren.
Was sind deine Tipps, um gut mit dem mentalen Stress im Training oder Wettkampfs zurechtzukommen?
Ich mache Atem- und Entspannungsübungen. Das hat mein Coach schon von Anfang an mit unserer Gruppe gemacht, um bewusst herunterzukommen. Ansonsten kann ich progressive Muskelentspannung nach Jacobson empfehlen – einfach mal abends vor dem Schlafengehen ausprobieren. Baut extrem gut Stress ab.
Wie sehen deine Wettkampfpläne für 2020 aus – und darüber hinaus?
Ich möchte in Zukunft gerne große Städtemarathons laufen, wie Berlin, New York, London oder Tokio. Mein erster Marathon in Hamburg war eines der schönsten Lauferlebnisse überhaupt!
Wir haben schon verschiedene Ideen für 2020, aber noch sind die Hauptwettkämpfe nicht fixiert. Neben den Marathons ist auch ein Skilanglaufrennen geplant. Eventuell 2020, spätestens 2021 werden dann auch ein Ultralauf, ein Traillauf und Bergläufe anstehen.
Das hört sich spannend an! Was sind neben dem Laufen deine beruflichen und privaten Ziele und Träume für die nächsten Jahre?
Ich möchte mich beruflich weiterentwickeln und weiterhin so spannende Projekte umsetzen wie im Moment. Und ansonsten lasse ich alles auf mich zukommen. Ich finde, zu viel Planung bringt nichts, denn es kommt erstens immer anders und zweitens als man denkt.
Danke für das Interview, Thea, und weiterhin viel Erfolg mit deiner läuferischen und beruflichen Karriere!
Weitere Interview-Fragen beantwortet Thea in der Ausgabe 2/2020 des Laufmagazins „Laufzeit“ – am besten gleich zum Kiosk sprinten und kaufen 😉
Du möchtest mehr über Thea Heim erfahren? Hier gehts zu ihrer Website!
Lesetipp: Erfahre in der Interviewserie zur Work-Run-Balance, wie andere SportlerInnen den Spagat zwischen Vollzeitjob und ambitioniertem Training hinbekommen!
#1: Vom Konferenzsaal in die Wüste: Andrea, promovierte Historikerin und Ultraläuferin
#2: Sportliche Ziele, sportliches Zeitmanagement: Ann-Kathrin, PR-Managerin und Triathletin
#3: Big Data vs. Running Data: Pietro, Referatsleiter Big Data Analytics und Straßen- & Trailrakete
#4: Businesslady meets Ironman: Hanna, Projektmanagerin und Ironlady
#5: Bahnfahren, Bürositzen, Berglaufen: Moritz, Performance Analyst und Gipfelstürmer
#6: Mama mit Vollgas: Stefanie, Projekteinkäuferin und Mittelstreckenläuferin