Inmitten von Grün, zwischen Bergen und Meer, abseits von Menschenmassen und dem kalten deutschen Winter – so lässt es sich auf der portugiesischen Insel Madeira sehr gut leben, arbeiten und laufen! Die vielseitige Natur, der entspannte Lebensstil und inspirierende Bekanntschaften machen diese Zeit zu einer ganz besonderen Erfahrung für mich.
Madeira: Grüne Idylle und ewiger Frühling
Die Autonome Region Madeira ist eine Inselgruppe im Atlantik, 951 Kilometer südwestlich von Lissabon und 737 Kilometer westlich der marokkanischen Küste. Die Hauptinsel Madeira ist 57 lang und 22 km breit und umfasst 741 qm, etwa vergleichbar mit der Fläche des Stadtstaats Hamburg. Auf der Insel leben rund 270.000 Einwohner (Hamburg: 1,8 Mio. Einwohner), von denen knapp die Hälfte in der Hauptstadt Funchal wohnen.
Madeira ist im Prinzip der „sichtbare“ Teil ein großes Unterwassergebirges. Von der Mitte Richtung Osten der Insel bilden die höchsten Berggipfel Pico Ruivo (1.862 m), Pico das Torres (1.853 m), Pico do Arieiro (1.818 m) und Pico Grande (1.609 m) ein Hochgebirge. Im westlichen Teil befindet sich die Hochebene Paul da Serra auf 1.300 bis 1.500 m Höhe über dem Meer. Um diese Erhebungen herum fällt das Land mal flacher, mal steiler ins Meer ab und ist mit viel Grün überzogen, beispielsweise mit Lorbeer- und Eukalyptuswäldern oder Bananenplantagen. Omnipräsent ist auch das Wasser: entweder in Form von Wasserfällen oder von Levadas, einem einzigartigen Bewässerungssystem mit einem 2.000 km langen Netz aus Wasserkanälen.
Madeira bietet den seltenen Luxus, Berge, Wälder und Meer auf kleiner Fläche zu vereinen. Egal, ob man eine aussichtsreiche Bergwanderung machen, durch dschungelhafte Wälder laufen oder einen Surf- und Strandtag einlegen möchte: all das ist möglich und von jedem Ausgangspunkt in maximal 1,5 Stunden zu erreichen. Meinen Erfahrungen rund ums Laufen auf Madeira habe ich übrigens einen eigenen Blogartikel gewidmet.
Neben der vielseitigen, grünen Natur, die mich ganz besonders in ihren Bann zieht, bietet Madeira noch viele weitere Vorzüge, darunter mildes und v.a. im Süden häufig sonniges Wetter, charmante Küsten- und Bergdörfer, freundliche Menschen, wenig Kriminalität, keine gefährlichen Tiere und eine Internetverfügbarkeit und -geschwindigkeit, von der wir in Deutschland nur träumen können.
Remote Arbeiten auf Madeira
Der letzte Punkt – das Internet – war natürlich essenziell bei der Entscheidung, mein Home Office aus dem deutschen Winter auf die atlantische Insel Madeira zu verlegen.
In meinem Job als Marketing Managerin für das EdTech-Unternehmen Ghostthinker habe ich die Freiheit, meinen Arbeitsort selber zu wählen (mehr zu unserer Arbeitskultur findet ihr in diesem Interview auf GetRemote). Es steht mir also frei, ob ich in einem unserer Büros, in meiner Wohnung, in einem Café oder aus einem Airbnb im Ausland arbeite. Solange ich eine gute Internetverbindung habe und in einem Umfeld bin, das mir persönlich produktives Arbeiten erlaubt, ist mein Team d’accord.
Genau dieses Umfeld habe ich auf Madeira definitiv gefunden. Morgens nach dem Aufstehen das Meer zu sehen, in der Mittagspause einen Kaffee in einer der vielen kleinen „Snack Bars“ zu trinken oder nach der Arbeit entlang einer schönen Levada über den Wolken zu laufen, macht mich nicht nur insgesamt glücklich und ausgeglichen, sondern auch während meiner Arbeitszeit motiviert, kreativ und produktiv.
„Digital Nomad Village“
Zufällig startete in der Zeit, in der mein Freund Marian und ich auf Madeira waren, ein Pilotprojekt auf Madeira: Das „Digital Nomad Village“ in Ponta do Sol. Und zufällig war Gonçalo Hall, der dieses Projekt ins Leben gerufen hat, in seinen ersten Tagen auf der Insel unser Nachbar und wir haben uns sofort angefreundet. Gefördert von der Regierung Madeiras hat Gonçalo ein kleines Ökosystem aus Co-Working-Space, Partnerschaften mit lokalen Unterkünften, Mietwagen- und Dienstleistungsunternehmen, einem sehr lebendigen Slack-Channel und täglichen Aktivitäten von und für Remote Workers aufgebaut.
Aktuelle Informationen zu dem Projekt findet ihr auf der Website Digital Nomads Madeira. Einen kleinen Einblick in die Schönheit Madeiras und den Co-Working-Space im sonnigen Küstenörtchen Ponta do Sol bietet das folgende Video:
Auch wenn wir nur zufällig über dieses Projekt gestolpert sind und unseren Aufenthalt auf Madeira nicht in diesem Rahmen geplant haben, haben wir auf jeden Fall von den Vorteilen des Ökosystems profitiert. Zum einen haben wir bzw. ich zwei tolle Unterkünfte darüber gefunden, die nur aufgrund der Rabatte für längere Aufenthalte erschwinglich waren. Und zum anderen haben wir über den Slack-Channel und gemeinsame Aktivitäten sehr nette und inspirierende Bekanntschaften gemacht.
Ich bin sehr gespannt, ob und wie es mit dem Projekt über Juli 2021 und über die Corona-Pandemie hinaus weitergehen wird. Geplant ist, es in lokale Hände zu übergeben und Madeira auch langfristig als attraktiven Aufenthaltsort für Personen zu etablieren, die selbstständig oder angestellt remote arbeiten. Ich kann das Angebot auf jeden Fall weiterempfehlen!
Lebenshaltungskosten für Remote Workers auf Madeira
Im Grunde gibt es zwei große Fixkosten-Blöcke: Mietauto und Unterkunft. Der Rest hängt stark vom Lebensstil ab, insbesondere ob man oft außer Haus isst und ob man an kostenpflichtigen Veranstaltungen wie Yoga oder Whale Watching teilnimmt (worauf ich nicht weiter eingehen werde).
Mietauto
Meine persönliche Empfehlung ist, sich auf Madeira unbedingt ein Mietauto zuzulegen. Zwar kommt man notfalls auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder privat organisierten Mitfahrgelegenheiten von A nach B. Doch ist man dadurch in der eigenen Mobilität sehr eingeschränkt, muss deutlich mehr Zeit einplanen und kann bestimmte Orte womöglich gar nicht besuchen – oder zumindest nicht dann, wenn man möchte. Taxen und Uber gibt es auch, aber das geht natürlich auf Dauer ins Geld.
Die günstigsten Mietwägen (Fiat Panda lässt grüßen!) bekommt man aktuell ab 220 €/Monat. Das sind natürlich keine flotten Flitzer und an manchen Anstiegen bezweifelt man, oben anzukommen. Auch die Kundenorientierung an den Stationen lässt zu wünschen übrig – aber man bekommt eben das, wofür man zahlt. Um zum Einkaufen oder Wandern zu fahren reicht es aus. Wer mehr Power, Komfort und Freundlichkeit möchte, zahlt um die 370+ €/Monat. Die Diesel- und Benzinpreise sind etwas höher als in Deutschland (aktuell ca. +10 Cent/Liter).
Mich hat es anfangs etwas Überwindung und Übung gekostet, die steilen Rampen und engen, kurvigen Straßen mit dem Auto zu meistern, doch gewöhnt man sich bald daran – und dann macht es sogar Spaß!
Unterkunft
Durch die Touristenflaute und das Digital Nomad Project findet man aktuell schöne Wohnungen oder Häuser für Aufenthalte >1 Monat zu bezahlbaren Preisen (650-950 €/Monat). Teilt man sich eine Unterkunft mit einer oder sogar mehreren Personen, kann man auch schon ab 250 € in einer Villa mit Pool unterkommen. Wer es schicker mag, bekommt aktuell im 5-Sterne-Hotel Savoy Palace in Funchal eine Suite mit Küche und inkludiertem Frühstücksbuffet für 750 € bei Zweierbelegung und 1300 € bei Einzelbelegung. Für diesen Preis könnte man sonst nicht mal eine Woche in diesem Luxushotel verbringen.
Marian und ich hatten das große Glück, von Mitte Januar bis Mitte März in den Calheta Boutique Houses in Arco da Calheta wohnen zu können. Wir haben uns schnell mit dem niederländischen Vermieterpaar Anne und Dave angefreundet und die tolle Nachbarschaft, gemeinsame Wanderungen und Weinabende sehr genossen.
Die Häuser sind stylisch-modern und zugleich sehr gemütlich eingerichtet. Dieses Wohlfühlambiente und eine sehr schnelle Internetverbindung boten uns ideale Arbeitsbedingungen. Außerdem sind alle Räume mit einer Klimaanlage inkl. Heizfunktion ausgestattet – ein seltener und nicht zu unterschätzender Benefit für Remote Workers auf Madeira! In den Wintermonaten kann es nämlich auch auf Madeira vor allem nachts, aber auch an Schlechtwettertagen recht frisch sein. Gerade wenn man lange drinnen arbeitet und sich dabei wenig bewegt ist es durchaus von Vorteil, sich nicht mit Decken oder winzigen, mobilen Heizkörpern behelfen zu müssen. Die richtige Temperatur ist eben auch ein Produktivitätsfaktor!
© www.calhetaboutiquehouses.com
Nachdem Marian beruflich bedingt Mitte März zurück nach Deutschland fliegen musste, habe ich mich spontan für eine vierwöchige Verlängerung auf eigene Faust entschieden. Für diese Zeit bin ich in ein Steinhäuschen auf dem Weingut Quinta das Vinhas in Estreito da Calheta gezogen. Auch hier fühle ich mich sehr wohl, insbesondere wegen der kleinen Community aus rund 15 Remote Workers, die auf verschiedene Häuser verteilt auf dem Anwesen leben. Hier findet sich immer jemand für eine kurze Kaffeepause, ein gemeinsames Mittagessen, Outdooraktivitäten oder einen Drink am Pool.
Apropos Kulinarik: Kaffeegetränke bekommt man auf ganz Madeira für 0,60 – 1 €, Kaltgetränke oder frischgepressten Orangensaft für 1,50 € und ein gutes Mittagsmenü, „Prato do Dia“, inkl. Getränk und Kaffee für 7 – 8 € (meist mit Fleisch oder Fisch – Vegetarier haben es außerhäusig etwas schwerer). In Funchal gibt es außerdem einige richtig gute Restaurants, die bei Reservierungen über die App The Fork 30-50% Rabatt anbieten. Ansonsten sind die Restaurant- und Lebensmittelpreise ungefähr vergleichbar mit denen in Deutschland.
Covid-19 auf Madeira
Natürlich ist Covid-19 auch Madeira nicht erspart geblieben, deshalb ein paar Worte zur aktuellen Corona-Situation auf der Insel.
Die Neuinfektionen sind seit Januar von rund 60-70 auf aktuell rund 30 pro Tag gesunken, davon tritt die Mehrzahl in Funchal auf. Todesfälle gibt es sehr selten, seit Beginn der Pandemie sind auf Madeira nur 70 Menschen an oder mit Corona gestorben. Entspannt ist auch die Lage in den Krankenhäusern – hier wurden sogar Kapazitäten für Patienten aus Festland-Portugal zur Verfügung gestellt, als dort die Lage zu eskalieren drohte.
Im öffentlichen Raum herrscht draußen und drinnen Maskenpflicht, jedoch nicht bei sportlichen Aktivitäten. Diese Maßnahme wird überall eingehalten und es ist für mich ganz normal geworden, immer eine Maske anzuziehen. Sofern kein Mensch weit und breit zu sehen ist (was in den dörflichen Gegenden häufig vorkommt) ist es natürlich akzeptiert, die Maske runter- und nur bei Bedarf hochzuziehen. Abstands- und Hygieneregeln gelten wie in Deutschland auch.
Da mir Funchal aktuell tatsächlich ein bisschen zu „trubelig“ ist und ich nur selten dort bin, kann ich die Situation dort nicht im Detail beschreiben oder einschätzen. In dörflichen Gegenden oder in der freien Natur, also dort, wo ich mich primär aufhalte, fühle ich mich relativ „Corona-sicher“ und kann selbstbestimmt steuern, welche Risiken ich eingehen will oder nicht.
Ein Punkt, der meiner Meinung nach auch zu der kontrollierten Pandemie-Situation auf Madeira beiträgt, ist die Ausgangssperre. Seit Mitte Januar gilt: unter der Woche ab 19 Uhr und am Wochenende ab 18 Uhr muss jeder zuhause sein. Geschäfte und Gastronomie müssen jeweils eine Stunde davor schließen, dürfen aber tagsüber unter Berücksichtigung der Abstands- und Hygieneregeln betrieben werden. Essenslieferungen sind bis 22 Uhr erlaubt. Da das Wetter es meistens zulässt, draußen zu sitzen, habe ich es sehr genossen, hier endlich wieder Kaffeetrinken und Essengehen zu können. „Late Lunches“ bzw. „Early Dinners“ um 3 oder 4 Uhr nachmittags habe ich inzwischen auch richtig zu schätzen gelernt – so liegt einem das Essen beim Schlafengehen nicht mehr schwer im Magen!
Zur Pandemie-Kontrolle gelten übrigens streng-überwachte Quarantäneregeln. Unter Quarantäne stehende Haushalte werden mindestens einmal pro Tag zu zufälligen Uhrzeiten von der örtlichen Polizei besucht. Dann müssen sich alle Haushaltsmitglieder auf dem Balkon, der Terrasse oder in der Haustür zeigen. So wird weitestgehend sichergestellt, dass die Quarantäne auch wirklich von allen eingehalten wird. Wer sich nun fragt, ob die Polizei hier nichts anderes zu tun hat – nope, siehe oben: „wenig Kriminalität“.
Alle aktuell geltenden Maßnahmen findet ihr auf dieser offiziellen Tourismusseite Mein persönliches Fazit ist, dass ich mich mit den Maßnahmen hier auf der Insel gut arrangieren kann und sie in Anbetracht der kontrollierten Lage offensichtlich wirkungsvoll sind.
Inselglück in einer besonderen Zeit
Für mich persönlich war und ist die Home-Office-Zeit auf Madeira sehr bereichernd. Erst durch den längeren Aufenthalt konnte ich die Insel mit all ihren Facetten kennenlernen, weiß, welche Levada-Strecken oder Restaurants besonders lohnenswert sind, komme mit den lokalen Bezeichnungen für Kaffeegetränke klar und hatte die Möglichkeit, (trotz Corona) soziale Kontakte zu knüpfen und ein angenehmes „Heimatgefühl“ zu entwickeln.
Während meines Aufenthalts von Januar bis April 2021 fand aufgrund der Pandemie kaum Tourismus statt und es galten einige Einschränkungen. Zu öffentlichen Veranstaltungen, dem Nachtleben oder den besten Sonnuntergangsspots kann ich also nichts sagen. Meine Erfahrungen zum Leben und Arbeiten auf Madeira beziehen sich somit auf eine sehr besondere, ja vielleicht einmalige Situation. Ich bin mir sicher, dass Madeira auch in „normalen“ Zeiten einen Urlaub oder Langzeitaufenthalt wert ist! Zugleich bin ich aber auch dankbar, den Charme der Insel in dieser speziellen Zeit kennengelernt zu haben.
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