74 km, 1900 hm: Die Königsdistanz des legendären Rennsteiglaufs hat es in sich. Zumal die Strecke von Eisenach nach Schmiedefeld durchgängig laufbar ist und somit verhältnismäßig „schnell“ zu erlaufen ist – sofern das Training gestimmt hat. Um auch wirklich laufend ins Ziel zu kommen, habe ich mich 16 Wochen lang mit einem ausgefeilten Trainingsplan auf den Supermarathon vorbereitet.
Auf Umwegen zum Supermarathon
Einmal den Rennsteiglauf Supermarathon laufen: Dieser Traum keimte in mir, seitdem ich 2016 auf dem Rennsteig ein wunderschönes Marathondebüt feierte. Die hügelig-flowige Strecke durch den Wald, die vielen engagierten Helfer:innen, die Stimmung im Ziel – all das macht den Rennsteiglauf zu einem ganz besonderen Event. Durch die Nähe zu meiner Heimat und zahlreiche Kindheitserinnerungen hat er für mich eine zusätzliche Anziehungskraft.
Im Mai 2019 sollte es dann soweit sein. Ich hatte mir schon Monate vorher einen Startplatz gesichert, einen Trainingsplan zurechtgelegt und Trainingswettkämpfe gebucht. Doch noch bevor ich überhaupt mit dem Training starten konnte, fand es auch schon ein jähes Ende. Schleimbeutelentzündung in der Hüfte, mehrere Monate Laufpause – und die Erkenntnis, dass ich mich mit Alternativtraining auf der Rolle zwar fit halten, aber nicht ausreichend für einen Ultramarathon trainieren konnte.
Versöhnlicherweise konnte ich in diesem Jahr dann doch noch auf dem Rennsteig starten, wenn auch nur auf der Halbmarathonstrecke. Medaille zwei von drei… der Traum vom Supermarathon blieb bestehen.
Nach einem außergewöhnlichen Jahr 2020, in dem ich mir läuferisch wenig vorgenommen und doch viel erlebt und erreicht habe, folgte eine mehrmonatigen Auszeit vom strukturierten Lauftraining auf Madeira. Danach war die Lauffitness zwar entsprechend zurückgegangen, doch die Motivation umso größer, ein neues Ziel anzugehen. Eines, für das ich wirklich brenne und das meinen Horizont im Training wie im Wettkampf erweitern würde. Welch Wink mit dem Schicksal, dass der Rennsteiglauf in diesem Jahr von Mai auf Oktober verschoben wurde und mir diese Erkenntnis ziemlich genau 16 Wochen vor dem Raceday kam…
Trainingsplanung für den Rennsteiglauf Supermarathon
Um gut vorbereitet an der Startlinie zu stehen und mir die Mental Load der eigenen Trainingsplanung zu ersparen, entschied ich mich dafür, mein Schicksal in die Hände eines erfahrenen Ultraläufers zu legen. Den 16-wöchige Trainingsplan von Stefan Helbig (Two Peaks Endurance, damals Michael Arend Training) kann ich an dieser Stelle sehr empfehlen. Im Hinterkopf schwebte mir das grobe Ziel von 7:30 Stunden vor, aber am wichtigsten war es mir, 1.) verletzungsfrei und mit gutem Gefühl an der Startlinie zu stehen und 2.) gesund und weitestgehend laufend ins Ziel zu kommen.
Mir war klar, dass ich für den Rennsteiglauf einen anderen Trainingsumfang anvisieren musste, als ich ihn bis dato kannte. Bis dahin hatte ich in meinem Training immer Qualität über Quantität priorisiert. Um eine körperliche oder mentale Überbelastung zu vermeiden, war ich dabei selbst in der Vorbereitung auf (Ultra-)Marathons nie über 70 Laufkilometer pro Woche hinausgegangen. Nun war ich offen und neugierig, wie ich die Erhöhung des Trainingsumfangs vertragen würde und welche Fortschritte sich dadurch erzielen ließen. Zugleich war es mir aber auch wichtig, eine gewisse Flexibilität zu wahren und mich nicht zur Sklavin des Plans machen zu lassen. Das klappte sehr gut und es schadete dem Endergebnis keineswegs, dass ich gelegentlich Einheiten kürzte, verschob oder gegen eine Rennradsession tauschte.
Vorbereitung Rennsteiglauf Teil 1: Woche 1-8
Die ersten 8 Wochen beliefen sich im Schnitt auf 70-80 Laufkilometer pro Woche. Die Wochenstruktur blieb immer gleich: Tempoworkouts am Dienstag und Samstag, daneben mittwochs und donnerstags lockere Läufe und sonntags ein Longrun. Ergänzt habe ich das Lauftraining einigermaßen regelmäßig mit Yoga und Stabitraining.
Die Tempoworkouts (z.B. Intervalle im Flachen oder am Berg) waren anstrengend, aber weniger intensiv, als ich sie selbst gestaltet hätte. Die Tempoeinheit am Dienstag war meist schneller, aber dafür flacher und kürzer (~ 60 min.). Dafür ging es samstags länger (~ 90 min.) und mit mehr Höhenmetern zur Sache. Die Kombination aus Tempotraining am Samstag und Longrun am Sonntag habe ich als sehr effektiv zu schätzen gelernt! Auch wenn sie natürlich voraussetzt, dass man dem Training am Wochenende eine gewisse Priorität einräumt und seine restlichen Aktivitäten drumherum plant und ggf. der Erholung zuliebe reduziert.
Allgemein lässt sich die genannte Wochenstruktur sehr gut mit einem Vollzeitjob vereinen. Unter der Woche ist man körperlich und mental nicht so sehr vom Training gestresst und kann vor allem die lockeren Läufe am Mittwoch und Donnerstag sehr gut als entspannten Ausgleich zum Job nutzen. Das fordernde Doppel am Wochenende kann man dann ganz in Ruhe angehen und verarbeiten. Eine Struktur, die für mich persönlich sehr gut funktioniert und die ich bei zukünftigen Wettkampfvorbereitungen beibehalten werde.
Beispielhafte Trainingswoche aus den ersten 8 Wochen:
Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Samstag | Sonntag |
Ruhetag | 5x 1500m in Halbmarathontempo | 1 h GA1 20 min. Stabi-Training | 1:15 h GA1 + 6x 10 sec. Bergan-Sprints | 1 h Yoga | 1:30 h hügeliger Tempowechsellauf | 2 h GA1 hügelig |
Vorbereitung Rennsteiglauf Teil 2: Woche 9-16
Die zweite Hälfte des Trainingsplans brachte dann jedoch nochmal eine ordentliche Veränderung mit sich. Der Wochenumfang erhöhte sich auf 90-100 km, die hügeligen Trainings nahmen zu und die langen Läufe wurden WIRKLICH lang (~ 40 km). Zu dem erhöhten Laufpensum kam nun auch mehr Fahrerei hinzu, da ich keine Hügel vor der Haustür habe und deshalb 2-3x pro Woche in die Westlichen Wälder vor den Toren Augsburgs fuhr. Für die langen Läufe fuhr ich auch mal weiter weg, z.B. ins Altmühltal oder zum Hohen Peißenberg, um noch mehr Höhenmeter und Abwechslung ins Spiel zu bringen.
Ich setzte nun außerdem in der Trainingssteuerung vermehrt auf Wattmessung. Gerade bergauf ist es für mich unheimlich hilfreich, mich auf einen angestrebten Wattbereich zu konzentrieren anstatt mich von meinem gefühlten Schneckentempo verrückt machen zu lassen. Da die Herzfrequenz träge und das Körpergefühl manchmal trügerisch sein kann, bieten Wattdaten in hügeligem und bergigem Gelände die beste objektive Orientierung.
Als besonderes Highlight baute ich mir 4 Wochen vor dem Rennsteiglauf Supermarathon einen Streckencheck verteilt auf zwei Tage (40 km + 33 km) in den Trainingsplan ein. So konnte ich nicht nur einen guten Doppeldecker eintüten, sondern mir zugleich ein Bild von den verschiedenen Abschnitten und Anstiegen des Rennsteiglaufs machen. Mit einer Laufzeit von 7:09 h lag ich zwar bezüglich meiner Trainingswerte im Plan. Andererseits waren die zwei Tagesetappen schon anstrengend und ich konnte mir zu dem Zeitpunkt noch nicht vorstellen, dass Ganze am Stück in der gleichen Geschwindigkeit zu schaffen.
Eine Woche später, also 3 Wochen vor dem Rennsteiglauf, folgte das nächste Trainings-Highlight: Der Südthüringen Trail mit 47,5 km und rund 2000 hm. Watt, Herzfrequenz und Körpergefühl gaben hier das Tempo vor, sodass ich richtig gut durchkam, ohne mich zu überlasten. An dieser Stelle Kudos an die Veranstalter: Der Lauf ist sehr gut organisiert und macht durch seine Vielseitigkeit (von flowigen Trails bis zu steilen Skipisten) richtig Laune!
Grüne Trails durch den Wald Glücklicher Zieleinlauf… … als erste Frau!
Am letzten Peak-Trainingswochenende (2 Wochen vor dem Rennsteiglauf) hätte dann eigentlich noch ein Doppeldecker aus zwei Ü40km-Läufen angestanden. Das war mir jedoch aus orthopädischen Gesichtspunkten zu heikel und aus mentalen zu heavy. So holte ich mir die Vorbelastung samstags durch eine schöne, aber anstrengende 150km-Rennradtour rein und lief dann am Folgetag 40 km mit ~1000 hm. Dieser Lauf war der einzige des gesamten 16-wöchigen Trainings, der mir von Anfang bis Ende keine Freude machte. Aber für die körperliche und mentale Stärke, die später auch der Rennsteiglauf Supermarathon fordern sollte, war er sicher das i-Tüpfelchen. Resilienz-Training deluxe!
Auf das letzte harte Trainingswochenende folgte ein progressives Tapering. Zunächst sank die Wochenbelastung auf rund 65 km, was sich schon wie Entspannung pur anfühlte. Und in der Woche des Supermarathons lief ich in Summe nur 25 km. Die zusätzliche Freizeit, die läuferische Entlastung und das gute Gefühl, den toughen Trainingsplan durchgezogen zu haben, halfen mir dabei, neue Energie zu schöpfen und dem großen Tag einigermaßen gelassen entgegenzublicken.
Beispielhafte Trainingswoche aus den letzten 8 Wochen:
Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Samstag | Sonntag |
Ruhetag | 60 min. flacher Tempolauf (~Marathontempo) + je 10 min. Ein- und Auslaufen | 1 h GA1 20 min. Stabi-Training | 1:30 h GA1 + 6x 10 sec. Bergan-Sprints | Yoga | 3 h GA1 hügelig, inkl. 2x 30 min. zügig | 4 h GA1 hügelig |
Wie der Rennsteiglauf Supermarathon im Oktober 2021 für mich verlief und ob ich meine gesteckten Ziele erreicht habe, erfährst du hier in meinem Wettkampfbericht.
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